Zeit für Dankbarkeit

Ein deutsches Ehepaar, beide unter 30, ertrank gestern, weil sein Auto beim Verlassen einer Fähre im Hafen von Genua von der Laderampe stürzte. Das Schiff hatte sich bewegt und so den tödlichen Spalt freigegeben.
Ich beginne zu verstehen, weshalb ich immer wieder auf Unglücke, Unfälle und plötzliche Todesfälle aufmerksam werde. Diese Menschen waren in der Mehrzahl sicher nicht todkrank, hatten Pläne, schauten in eine ferne Zukunft. Im Unterschied zu mir und anderen schwer Erkrankten, haben sie nicht über die Möglichkeit eines frühen oder gar plötzlichen Todes nachgedacht.
Urlaub, Reise, Freizeit. Tod.
Man muß nicht Krebs haben, um früh zu sterben.
All die Menschen, auf deren tragisches Ende ich aufmerksam werde, habe ich überlebt, nicht selten schon heute deutlich länger gelebt als sie.
Ich meine, es ist Zeit, dankbar zu sein.
Dankbar dafür, daß ich die Chance habe, an meiner Situation etwas zu ändern.
Dankbar dafür, daß ich die Chance habe, mein Leben zu ordnen, Fehler zu korrigieren, mich zu bedanken, zu entschuldigen.
Und dankbar dafür, daß ich mich verabschieden kann, wenn es soweit ist, wann immer es soweit ist.
Die Menschen in den Nachrichten, die konnten das nicht.

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