Hochhaus

„Warum brüllt er so?“
Die beiden stehen vor dem Hochhaus, von dem ein Mann laut schreiend in die Tiefe stürzt.
„Keine Ahnung, was er hat. Bis jetzt ist doch alles gut gegangen!“
„Genau. Ist doch noch quicklebendig, oder?“
„Ja.“
Kopfschüttelnd gehen sie ihrer Wege und verstehen nicht, warum der Mann den Flug nicht genießt.

Die gestrige Untersuchung verlief von Anfang bis Ende wie gewünscht bzw. erhofft.
Die Klinik in Halle hatte sich perfekt auf mich bzw. meine Klaustrophobie eingestellt, die Narkoseärztin erwartete mich am MRT, die nächsten Bilder in meinem Kopf entstehen bereits im Aufwachraum.
Dazwischen: Nichts.
Die Auswertung des MRT zeigt keine sichtbaren Veränderungen im Vergleich zur Aufnahme vom Mai 2010.
Sechs Monate ohne Verschlechterung!
Das ist so, als hätte das Haus, von dem ich stürze, noch ein paar hundert Stockwerke hinzu bekommen.
Ich vergesse für ein paar Momente, daß ich stürze und frage meinen Arzt, ob ich die nächste Chemo auslassen könne.
Er guckt mich verständnislos an.
Ist ja schon gut.
Man darf ja mal träumen…
Noch auf dem Flur der Klinik schreibe ich mit meinem Mobiltelefon an mein Tagebuch.
Zu Hause angekommen, überraschen mich freundliche Kommentare und Emails.
Was für ein Tag!

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