Vertrauen

Seit jetzt fast einem Jahr vergifte ich mich auf Anraten meines Arztes regelmäßig mit Chemikalien, die meinen Krebs attackieren sollen. Ich würde das niemals tun, hätte er nicht gesagt, daß er es für das Richtige hält. Was aber bringt mich dazu, ihm zu glauben, ihm mein Leben anzuvertrauen? Ist es der Umstand, daß er ausgesprochen nett ist? Das ist die Kassiererin beim EDEKA auch. Dennoch würde ich auf ihr Anraten kein Gift schlucken. Ist es dann doch der Umstand, daß er kompetent ist? Daß er etwas von seinem Fach zu verstehen scheint? Aber woher weiß ich das? Immerhin ist das meine erste Krebserkrankung und er mein erster Onkologe.
Warum also vertraue ich ihm mein Leben an?
Weil er Professor ist, weil er Dr. ist und weil ich darauf vertraue, daß er sich seinen akademischen Titel redlich verdient hat. Mögen auch noch so viele Menschen in diesen Tagen der Ansicht sein, ein bißchen Schummeln bei der Doktorarbeit wäre nicht weiter schlimm: Ich möchte mein Leben keinem Hochstapler anvertrauen, der sich seinen Titel erschwindelt hat.
Und meine Heimat auch nicht.

Heute ist Tag 3 meiner vorerst letzten Chemo. Langsam reichert sich das Temodal in meinem Körper an, noch ist es aber auszuhalten. Das Zofran habe ich vor diesem Beitrag geschluckt, wie ich es so oft schon gemacht habe, jetzt geht es ans Temodal.

zurück    – 151 –    weiter