Netter Nazi

„Du bist so ein netter Kerl. Du arbeitest auf einer Intensivstation und hilfst, Leben zu retten. Deine Freizeit verbringst Du in der freiwilligen Feuerwehr.
Warum erzählst Du mir hier so eine Nazischeiße?“
Ich zeige auf meine Glatze.
„Diesen Haarschnitt trage ich, weil ich am Kopf operiert wurde und nicht aus politischer Gesinnung!“
Er ist der erste Mann an meinem Bett, der kein Arzt ist.
Er ist mein erster Pfleger.
Dynamisch, freundlich, ich mag ihn.
Gerade erzählt er mir, daß er fast 30 km Arbeitsweg hat, was mir in diesem strengen Winter besonders viel erscheint.
Dabei meckert er nicht, beklagt sich nicht.
Hebt meine Bettdecke an, schaut mir kurz in den Schritt und sagt zu seinem Kollegen, der sich die ganze Zeit im Hintergrund hält: „So sieht das also aus!“
Ich bin sicher, daß es nicht die Größe meines kleinen Freundes ist, die ihn beeindruckt.
Vielmehr muß der Katheter, der aus meiner Harnröhre ragt, auf ihn wirken, wie das Auspuffendrohr eines getunten Opel Kadett.
„Wie passt das dicke Rohr in das dünne?“
Ich tue so, als würde jeden Tag ein wildfremder Mann erstaunte Geräusche wegen meines Penis von sich geben und harre der Dinge, die sich abzeichnen.
Und da hat es sich auch schon erledigt, das „Sich-Abzeichnen“.
Noch während ich ziemlich beleidigt bin wegen der für mich erkennbaren Mißachtung meiner Männlichkeit, wickelt er sich den Katheterschlauch um die eine Hand, greift meinen Penis mit zwei spitzen Fingern der anderen (könnte natürlich auch anders herum gewesen sein, da ist meine Erinnerung etwas unscharf) und zieht kräftig.
Als ich losschreien will, baumelt der Schlauch schon vor meinem Gesicht.
Ein flüchtiger Betrachter meiner primären Geschlechtsorgane würde mich jetzt wohl auf der Frauenstation vermuten.
Um mich abzulenken, erzählt er mir von der Arbeit in der Freiwilligen Feuerwehr seines Dorfes, von seinen Freunden.
Völlig unvermittelt beginnt er, auf Ausländer zu schimpfen.
Seine Stimme überschlägt sich bisweilen.
„Die haben immer die dicken Autos. Die Klamotten, die die tragen, kann ich mir nicht leisten. Machen laufend Kinder, für die wir dann bezahlen müssen.“
Ich bin irritiert.
Der Junge ist nett, macht einen Knochenjob, ist heute um 5 Uhr morgens aufgestanden, um fremden Männern Schläuche aus den Schwänzen zu ziehen.
Der ist absolut o.k.!
Warum erzählt er dann so einen gequirlten Mist?
Mit Männern, die meinen Penis warten, rede ich Klartext.
„Du bist so ein netter Kerl. Warum erzählst Du mir hier so eine Nazischeiße?“

07.01.2010

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