Klopfen

Er sitzt mir gegenüber und umschließt mit der rechten Hand seinen Hals.
Ich schätze, daß er etwa so alt ist, wie ich es bin.
Unter seiner Hand ist das schmatzende Blubbern eines Luftröhrenventils zu hören.
In diesem mit Menschen überfüllten Warteraum ist es ihm unangenehm, wenn er den sich ansammelnden Schleim abhusten muß.
Alle schauen weg, hören weg, blättern, scheinbar gefesselt von dem, was sie sehen oder lesen in den speckigen Zeitschriften in ihren Händen.
Ich höre genau hin und als das Zischen und Röcheln für einen Moment aussetzt, sehe ich ihm in die Augen.
„Kehlkopfkrebs?“
Er nickt, dankbar, daß die Stille um ihn aufgehört hat.
„Seit wann?“
„Januar“, formen seine Lippen.
Seit zehn Wochen.
Sein nächster Hustenanfall beendet unser Gespräch für immer.
Ich werde aufgerufen, stehe wenig später allein in einer winzigen Kabine und ziehe mich aus.
Als ich die Tür in Richtung meiner letzten Bestrahlung öffne, tönt es aus dem Lautsprecher an der Decke „Knockin’ on Heaven’s Door“…

09.03.2010

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