Verschenkt

„So, wie das gelaufen ist, ist das Ihre rein private Angelegenheit.“
Ich sitze im Büro meines Steuerberaters und bin fassungslos.
„Aber, ich wollte doch in einer denkmalgeschützten Stadt ein 400 Jahre altes Haus sanieren, habe dort schon Unsummen Geld ausgegeben und nur durch meine Erkrankung das Ganze nicht zu Ende bringen können!?“
Er nickt.
„Schon klar. Nur, hätten Sie das Haus nicht verschenken dürfen! Als Unternehmer verschenkt man nichts.“
Ich gehe in Gedanken noch einmal die Tage kurz noch meiner OP durch und sehe meine Frau und mich eine Entscheidung treffen.
Das Haus in der Kochstrasse 23 in Wernigerode, das ich nun schon seit fast einem Jahr saniere, werden wir nicht fertig stellen können.
Wie auch.
Eine querschnittgelähmte Frau und ein Mann mit Hirntumor.
Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Unsere Kinder teilen unsere Liebe zu alten Häusern nicht.
Verkaufen kann man ein Haus, das wirtschaftlich betrachtet keinen Gewinn verspricht, nicht.
Also beschließen wir, das Haus dem Menschen zu schenken, dem wir die Fertigstellung am meisten zutrauen.
Dem Zimmermann, der auch unser letztes Sanierungsobjekt begleitet hat.
Wir fragen ihn, ob er unser Geschenk annimmt, er ist bereit, die Dinge in meinem Sinne zu Ende zu bringen.
Ist bereit, der Stadt und dem Land ein Denkmal zu erhalten.
Etwa drei Wochen nach der Entfernung des Tumors sitzen meine Frau, der Zimmermann und ich beim Notar und unterschreiben eine Schenkungsurkunde für ein Haus, das zu den ältesten in Wernigerode gehört und das ich noch immer liebe.
Ich schreibe dem Stadtbaudirektor der Stadt Wernigerode, dass ich die mir selbst gestellte Aufgabe nicht zu Ende bringen kann und werbe um Unterstützung für den neuen Besitzer.
Eine Antwort erhalte ich nie.
„Und was hätte ich anders machen sollen, damit wenigstens meine Kosten steuerliche Anerkennung finden? Immerhin habe ich tausende Euro und hunderte Stunden Arbeit in dieses Haus investiert?!“
Ich ahne, was er mir antwortet, als meine Frage noch nicht ganz ausgesprochen ist.
„Sie hätten ihm das Haus für einen Euro verkaufen müssen. Dann wäre es ein Geschäft. Und für Geschäfte, auch solche mit Verlusten, interessiert sich das Finanzamt, für private Geschenke nicht.“
Tausende Euro verloren, weil ich auf einen Euro verzichte.
Verglichen mit dem deutschen Steuersystem, bin ich kerngesund.

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