Undankbar?

Seit ich Krebs habe, begleiten mich die guten Wünsche vieler Menschen. Würde ich hinter auch nur einem davon eine gewollte Gemeinheit vermuten, wäre ich ein Fall für die Psychiatrie.
Und doch tun die meisten dieser Anteil nehmenden Worte mir nicht gut.
Dabei sind es nicht die guten Wünsche, die mich verletzen, nicht das allgegenwärtige, anteilnehmende Interesse.
Es ist das Gerede von Optimismus und positivem Denken, das mir zunehmend die Luft nimmt.
Ich habe Krebs, weiß um eine Krankheit, die als nicht heilbar gilt…und soll den Optimismus nicht verlieren?
Wie soll das gehen?
„Er starb am Krebs, weil er nicht fest genug an seine Heilung glaubte.“
Welch Bürde, die man mir und anderen Erkrankten damit auflädt!
Ich habe ein „volles Pfund“ gefangen und ein Recht darauf, traurig zu sein.
Meinen Tumorzellen ist es scheißegal, ob ich lache oder weine.
Seit nun schon fast 10 Monaten mache ich mich lustig über den Krebs.
Warum?
Was ist lustig daran?
Weshalb behandle ich den Krebs wie eine „Prüfung“, die ich zu bestehen habe?
„Stirbst Du daran, warst Du zu schwach!“
Ist das die Botschaft der Heilsversprecher, der mich abzockenden Quacksalber, der krankhaft Optimistischen?
Ich werde jede schulmedizinisch vernünftig erscheinende Behandlung so klaglos wie möglich über mich ergehen lassen, werde mich mit unanständig teuren Chemikalien vergiften, solange mein Körper das zuläßt:
„Positiv denken“ über all das, werde ich nicht eine einzige weitere Minute mehr.
Und vielleicht gerade deshalb noch lange leben.

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