Fünf oder sechs

„Als wir das Temodal noch nicht hatten, sind die Leute mit einem Tumor wie deinem nach 12 bis 18 Monaten gestorben. Jetzt leben einige nach fünf oder sechs Jahren immer noch. Und niemand weiß, warum. Haben die einfach nur Glück?“
Er ist Chefarzt der Onkologie und geht seinen täglichen Weg zur Arbeit zu Fuß, um das im Krankenhaus Erlebte besser verarbeiten zu können.
„Die fünf Tage schaffst Du. Da gibt es gar nichts nachzudenken!“
Ich weiß, daß er selbst schwer krank ist, weiß, daß seine Frau MS hat, weiß, daß er weiß, wovon er spricht.
Doch nicht nur was er sagt, beeindruckt mich, sondern auch wie er es sagt.
Erstmals in den zurückliegenden Monaten wird mir die Bedeutung der Chemotherapie in ihrer vollen Tragweite bewußt.
Sie ist es, die mich noch eine Weile leben läßt.
Fünf Jahre, oder sechs.
„Und niemand weiß, warum.“
Sein Gesicht verrät mir, was er nicht ausspricht.
„Und niemand weiß, wie lange noch.“
Es wird Zeit, meine vierte Dosis im elften Zyklus einzunehmen.
Und es wird Zeit, Pläne zu machen.
Für fünf Jahre.
Oder sechs.
Oder.

25.01.2011

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