Plastisch und gut

Seit mir ein Teil meines Gehirns entfernt wurde, fehlen ein paar feinmotorische und sensorische Fähigkeiten meiner linken Körperhälfte, vor allem in der linken Hand. So war anfangs nicht daran zu denken, mir eine Schleife am Schuh zu binden. Die linke Hand wollte und wollte das Ende vom Schnürsenkel einfach nicht fassen.
Inzwischen ist das anders.
Mit jedem Monat kamen einige der vermissten Fähigkeiten zurück. Auch wenn ich weit davon entfernt bin, den heutigen Zustand mit dem vor der OP gleichzusetzen: mit den ersten Wochen danach hat er ebenso wenig zu tun.
Heute binde ich mir (unter Anstrengung!) die Schuhe selber zu, fahre allein mit der linken Hand am Steuer Auto und habe auch sonst das Gefühl, dass sich mein Gehirn tatsächlich, wie von einigen Ärzten prophezeit, umorganisiert!
In den nächsten Tagen und Wochen werde ich diesen Prozess noch aktiver vorantreiben. Meine bisherigen „Übungen“ bestanden vor allem in der „Vermeidung von Vermeidung“. Das heißt, ich habe meiner linken Hand nur selten gestattet, nichts zu tun. Stattdessen habe ich mir Aufgaben gesucht, für die ein Ergotherapeut Rechnungen in vermutlich schwindelerregender Höhe geschrieben hätte. Kartoffelschälen zum Beispiel. Während ich anfangs kaum Kontrolle über die Kartoffel in meiner Linken hatte, weshalb ich diese mitunter auf dem Tisch mit der flachen Hand fixierte und daraus einen großen Würfel hackte, kann ich heute so gut Kartoffeln schälen, dass einem zufällig Zuschauenden meine Behinderung kaum auffiele. Wenn ich die Kartoffel jetzt nicht nur halten, sondern auch noch spüren könnte…

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