Phobie

„Das ist eine schlechte Kombination, die Sie sich da ausgesucht haben!“
Drei Wochen lang ist der Termin im MRT für mich freigehalten worden. Drei Wochen, in denen ich in jeder Minute diesen Moment auf mich zukommen sehe.
Jetzt ist er da.
„Ich will hier weg!“
„Aber, dann werden Sie nicht wissen, ob Sie ein Rezidiv haben!“
„Das ist mir egal.“
In der Nacht zuvor irre ich durch die Stadt.
Als die erste Bäckerei öffnet, steht für mich fest:
Ich werde nicht in diese enge Röhre gehen.
Ich werde dann nicht wissen, ob ich den Krebs im Griff habe.
Ob ich auf einem guten oder einem schlechten Weg bin.
Aber, ich habe keine Wahl.
Als es ins Krankenhaus gehen soll, teile ich meiner Familie meinen Entschluß mit.
Mein Entsetzen wird zum Entsetzen aller.
Gespräche.
Die Fahrt ins Krankenhaus, ein kurzer Aufenthalt vor dem MRT.
Als ich eine Schwester darum bitte, mir die Röhre in Ruhe ansehen zu dürfen, ist diese nicht erfreut.
Aber, sie macht es möglich.
Und so stehe ich vor der Maschine, die mich seit Wochen nicht schlafen lässt.
So eng ist die gar nicht. Nicht so eng, wie in meiner Vorstellung. Hoffnung.
Als man mir erklärt, daß meine Beine noch aus der Röhre ragen, während mein Kopf untersucht wird, kann ich mir vorstellen, es zu schaffen.
Ein Arzt sticht mir eine Kanüle in den rechten Arm, dort wird während der Untersuchung ein Kontrastmittel in meinem Blutkreislauf gespritzt.
Die Liege.
Dahinter die Röhre.
Eine verständnisvolle Schwester.
Der Kopfhörer, diesmal selbst mitgebrachte Musik, Runrig. Die Musik dieser Gruppe war an Bord einer Raumfähre, die beim Start explodierte. Suchmanschaften fanden die CD unter tausenden Trümmern.
So wurde ich auf sie aufmerksam.
Die Schwester sagt etwas zu mir. Was sagt sie?
Ein Gestell fixiert meinen Kopf.
Ich schließe die Augen.
Die Musik.
Die Musik.
Druck an meinen Schläfen.
Ich kann meinen Kopf nicht bewegen.
Ich höre nicht, was um mich passiert.
Ich sehe nichts.
Panik.
Weg.
Weg.
Jetzt.
Sofort.
Meine Hände wollen das Gestell von meinem Kopf reißen.
Helfende Hände.
Weg hier.
Stop.
„Lassen Sie meine Kanüle hier!“
Der Schlauch in meinem Arm.
„Wollen Sie es nicht doch noch einmal versuchen?“
Nein!
Weg.
„Ich will hier weg!“
„Aber, dann werden Sie nicht wissen, ob Sie ein Rezidiv haben!“
„Das ist mir egal.“
Raus hier.
Mein Arzt erwartet mich, möchte das MRT mit mir auswerten.
Es gibt kein MRT.
„Das ist eine schlechte Kombination, die Sie sich da ausgesucht haben! Ein Gehirntumor und eine Claustophobie!“
Er sagt nur diesen einen Satz.
Dreht sich um und geht.
Gefühlte Augenblicke später kommt er wieder zu mir.
Wie durch Watte höre ich:
„Am Montag das Ganze noch einmal.
Dann unter Narkose!“
Kann ich einem Professor um den Hals fallen?

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