V.I.P.

Jetzt reicht es mir.
„Müssen Sie Behinderten den Parkplatz wegnehmen?“
Er ist jung, kaum älter als 20.
Er schließt das Fahrzeug auf, das auf dem Behindertenparkplatz steht und in dem kein Parkausweis liegt.
„Oder sind Sie behindert?“
Das sollte ironisch klingen.
Er schaut kurz auf, sieht mich traurig an.
„Ja, das bin ich.“
„Ach ja, und was fehlt Ihnen?“
„Mir wurde ein Herz implantiert.“
Seit diesem Tag vor etwa drei Jahren weiß ich, daß man einen behinderten Menschen nicht immer auf den ersten Blick erkennt.
Studenten auch nicht.
Weshalb ich verstehe, daß ermäßigte Eintrittspreise für Studenten, Schüler und Behinderte nur gewährt werden können, wenn derjenige, der Anspruch auf einen ermäßigten Eintrittspreis anmeldet, sich als Student, Schüler oder behinderter Mensch ausweisen kann.
Nur erklärt das nicht, weshalb meine im Rollstuhl sitzende Frau ihre Behinderung regelmäßig mit ihrem Schwerbehindertenausweis nachweisen muß.
Im ansonsten wunderbaren Leipziger Zoo erklärte man sie am 25.10. zur Nichtbehinderten, weil sie ihren Behindertenausweis im Auto, welches mehr als 500m entfernt stand, vergessen hatte.
Ihr Rollstuhl wurde von der Kassiererin schulterzuckend registriert, am vollen Eintrittspreis änderte das nichts.
Kein Ausweis, keine Behinderung.
Logisch und richtig. Oder?
Ich musste an ein Erlebnis in den Universal Studios in L.A. denken.
Meine Frau und ich hatten nur einen Tag zum Besuch der Studios zur Verfügung und gönnten uns deshalb das s.g. „VIP- Ticket“.
Für den doppelten Eintrittspreis erhielten wir ein Schildchen, das uns an jeder der Parkattraktionen dazu berechtigte, ohne anzustehen hinein zu gehen- an allen Wartenden vorbei.
Erstaunlicher Weise akzeptieren Amerikaner solche Geschäftsideen völlig widerspruchsfrei. Doch darüber konnte ich mich nur kurz wundern. Denn unseren „VIP- Ausweis“ brauchten meine Frau und ich an diesem Tag nicht ein einziges Mal!
Kaum sah einer der zahlreichen Mitarbeiter des Parks meine Frau im Rollstuhl auf eine der Attraktionen zurollen, wurde sie schon an allen Wartenden vorbei in die erste Reihe geschoben.
Ich kam kaum hinterher, mit unseren „VIP- Tickets“ in der Tasche.
Als wir am späten Nachmittag den Park verließen, hatten wir viel mehr gesehen, als wir uns erhofft hatten, die teuren Eintrittskarten hatten wir dafür aber nicht gebraucht.
Der Rollstuhl meiner Frau machte sie zu einer very important person.
Auch ohne Behindertenausweis…

zurück    – 116 –    weiter