PID

Hätte Peter Hinze, der Pfarrer unter den Christdemokraten, sich auf dem Parteitag der CDU nicht so vehement für die Präimplatationsdiagnostik ausgesprochen, ich hätte vermutlich nicht weiter hingehört. So aber war mein Interesse geweckt.
Er dafür?
Warum?
Die folgenden Stunden, in denen ich die öffentlich geführte Debatte verfolgte, wurden für mich zum Genuß in Sachen Fernseh- und Diskussionskultur.
Die Befürworter und die Gegner der PID trugen ihre Argumente vor.
Und so gut wie jedes davon fand meine Zustimmung!
Innerhalb von Minuten wurde ich vom Befürworter zum Skeptiker, und umgekehrt.
Je öfter das geschah (und es geschah oft!), desto mehr zog mich die Diskussion in ihren Bann.
Wäre es nicht gut, mögliche Behinderungen eines Kindes noch vor der Einpflanzung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter zu erkennen?
Würde dadurch nicht viel Leid von Familien, von Eltern, womöglich auch von den zur Welt Kommenden genommen?
Eben noch von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt, holte mich der nächste Wortbeitrag zurück in meine Zweifel.
Und was passiert, wenn die PID mögliche Probleme aufdeckt?
Was dann?
Wird das Kind dann nicht ausgetragen?
Vor allem, ab wann wird das geschehen?
Bereits bei einer diagnostizierten erhöhen Neigung des Kindes zu roten Haaren, zur Gehörlosigkeit oder erst bei der Gefahr, mit einem Down-Syndrom zur Welt zu kommen?
Wo wäre die Grenze?
Und vor allem, wer wollte diese ziehen?
Würden sich Eltern behinderter Kinder in Zukunft fragen lassen müssen, ob sie „das“ nicht hätten verhindern können?
Selten habe ich einem Thema so hilflos, so unentschlossen gegenüber gestanden.
Den ganzen restlichen Tag hat mich die Frage begleitet, wie sich wohl die Delegierten des CDU- Parteitages entscheiden würden.
Überrascht hat es mich nicht, als bekannt wurde, daß die Abstimmung mit einem Votum gegen die Präimplatationsdiagnostik endete, wie mich auch das gegenteilige Ergebnis nicht überrascht hätte.
Was mich überraschte, war meine Zufriedenheit damit.
Denn nicht wenige Fragen konnte ich mir selbst nicht überzeugend genug beantworten: Hätte meine Mutter mich zur Welt gebracht, wenn ihr von Ärzten gesagt worden wäre, daß bei mir womöglich eine genetische Veranlagung zum Krebs vorliegt? Ist nur ein langes Leben lebenswert, oder nur eines in einem perfekten Körper?
Wie mögen die heute bereits lebenden behinderten Menschen angesichts einer solchen Debatte empfinden?
Der Autor dieses Beitrages in der „Zeit“ ist PID- Befürworter und hat auch gewichtige Argumente.
Seine reißerische Behauptung, nach der ein Verbot der PID ein „Nein“ zum Leben bedeuten würde, spiegelt nicht die sachlich geführte Diskussion während des CDU- Parteitags wider. Vor allem aber bleibt die Frage, ob nicht gerade ein bedingungsloses „Ja!“ zum Leben, ein „Ja!“ ohne Netz und doppelten Boden, ein wirkliches „Ja“ ist?

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