Teil Zwei

Seit ich weiß, dass ich Krebs habe, wenden sich meine Gedanken der Frage zu, ob und wie ich diesen überleben kann. Jetzt, da ich die Prognosen der ersten Tage weit hinter mir gelassen habe, rückt eine andere Frage nach:
Wie kann ich mit all dem Erlebten, mit all den Ängsten, Sorgen und Schmerzen der letzten Monate im Kopf wieder ein glücklicher Mensch werden?
Blättere ich in meinem Tagebuch, wird mir bewusst, wie schwer mich die Diagnose „Krebs“ getroffen, wie sehr sie mich erschreckt hat.
Der Aktionismus der ersten Tage und Wochen, der zwingende und unausweichliche Ablauf der Behandlung ließen wenig Platz für die Frage nach dem „Danach“.
Nahezu mein einziger Lebensinhalt war, den Tumor zu überleben.
Jetzt, wo das fürs Erste geschafft ist, baut sich eine neue, wie mir scheint, nicht weniger hohe Wand vor mir auf.
Nur können mir jetzt keine Operation, keine Chemie und keine Bestrahlung helfen, diese niederzureißen.
In den letzten Stunden hatte ich meine Aufzeichnungen wieder einmal offline geschaltet, wollte ich mir darüber klar werden, wie ich weiter damit verfahre.
Und während ich darüber nachdachte, mich mit anderen austauschte, kam mir der Gedanke, ob ich nicht gerade in der jetzigen Phase meines Lebens ein Tagebuch besonders gut gebrauchen kann?
Zu schreiben, mich anderen mitzuteilen, hat mich „Teil 1“ meiner Genesung bewältigen lassen.
Jetzt, wo der Teil folgt, der nicht in Krankenhäusern und Ambulanzen stattfindet, brauche ich die Möglichkeit, meine Gedanken zu ordnen, vielleicht noch dringender, als jemals zuvor.
Was habe ich schon zu verlieren?
Die Achtung anderer?
Gelingt es mir nicht, die schwarzen Schatten in meinen Gedanken zu vertreiben, verliere ich meine sozialen Bindungen ohnehin.
Wer will schon mit einem chronisch traurigen Menschen zusammen sein?
Also, gehen wir ihn an, den „Teil 2“ meiner Genesung…

21.09.2011

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